*Erwartungen an mich …! Und an meine Freunde?!?

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Wie oft haben wir Erwartungen?! An uns , an Andere? Und wie oft sind wir enttäuscht – von uns und Anderen.
Das Wort Erwartung „spielt eine zentrale Rolle in der  Soziologie. Zum einen beschreibt es die Annahme eines Handelnden darüber, was ein anderer oder mehrere andere tun würden, bzw. was er oder andere billigerweise tun sollten. Wird eine Erwartung enttäuscht, dann wird sie meist geändert, in einigen wenigen Fällen aber auch aufrechterhalten.“ (*Wikipedia)

Erwartung ist also auch immer gekoppelt mit einem Gefühl und davon haben wir MS`ler ja nun wirklich genug.
Wut, Angst und Verzweiflung sind ebenso unsere Begleiter, wie Freude und Spaß. Oft müssen wir aufpassen, dass wir uns den Spaß nicht nehmen lassen.
Häufig sind wir enttäuscht. Enttäuscht von unserem Körper, an den wir andere Erwartungen hatten. Enttäuscht von Familie und/oder Freunden.

Man lernt ja immer dazu und deshalb kann man auch seine Erfahrungen nutzen, um eine bestimmte Erwartung zu bilden, oder uns auch gegen eine Erwartung zu entscheiden.

Der Spruch, man solle nichts erwarten, dann  könne man nicht enttäuscht werden, nimmt hier eine besondere Form an. Es gibt Zeiten, in denen mich solche Sprüche stören, aber es gibt ebensolche Zeiten, in denen sie Sinn machen und mir weiter helfen. Auf den ersten Blick ist der Spruch negativ behaftet, fast als entstamme er einer Frustration. Und doch ist er eine Lebensweisheit, wenn man ihn sinnvoll und geplant einsetzt.

Wir alle haben es schon erlebt, dass wir auf eine Feier keine Lust hatten – also auch ohne Erwartung dorthin gegangen sind, und dann positiv überrascht wurden. Den umgekehrten Fall kennen wir auch, dann wurden wir von einem Ereignis sehr enttäuscht, weil unsere „Erwartung zu hoch war“! Mit einer Enttäuschung muss man aber umgehen können. Das ist gar nicht so einfach.
Bei meinen Recherchen stoße ich immer und immer wieder auf die Erwartung, die wir MS-Betroffene haben, dass uns unser Gegenüber VERSTEHT.
Ich denke, dies ist eine absolut normale Erwartungshaltung, die ihre Berechtigung hat. Und doch, wenn man genauer hinschaut: wie soll uns und unsere oft nicht sichtbaren Symptome jemand verstehen, der sie nicht sehen/ wahrnehmen kann? Feinfühligen und empathischen Menschen wird dies seltener passieren, da sie einen besonderen Blick haben. Für uns und unsere Symptome, unsere Gefühlslage usw.! Aber selbst hier erleben wir Grenzen.

Für mich gehört zu einer Erwartung auch immer der realistische Blick von MIR auf das Ereignis, die Situation, dazu: Erwarte ich zu viel?

Im Umgang mit MS und unserem Gegenüber in diesem Umgang mit der MS, ist es manchmal fast unmöglich, dass er spürt, wie es uns geht. Das Sichtbare ist offensichtlich. Aber eine im Rollstuhl Sitzenden kann es trotz offensichtlichem Handicap gerade sehr gut gehen. Er braucht und möchte kein Mitleid, oder Mitgefühl. Ein offensichtlich „Unversehrter“ kann gerade dermaßen schlimme Schmerzen haben, dass er sich kaum „auf den Beinen halten“ kann, lässt es sich aber nicht anmerken und wirkt deshalb „normal“!

Meine Erwartung an mir wirklich sehr Nahestehende ist allerdings, dass sie meine Gesamtsituation mit der MS einschätzen lernen MÖCHTEN, dass sie gewillt sind, sich zu bemühen und mich als Gesamt-Paket zu betrachten.

Dass man mir z.B. einen Sitzplatz anbietet, weil man weiß, dass ich nicht lange stehen kann. Dass man mir mal ein Gepäckstück abnimmt, wenn ich mich sowieso schon die Treppe hinauf „schaffen“ muss. Dass man mir vom Buffet mal schnell was mitbringt – ohne großes Aufsehen.

Und vor allem, dass man MIR GLAUBT, wenn ich äußere, dass ich gerade mit einem Symptom kämpfe, gerade keine Kraft habe oder extrem erschöpft bin; dass ich heute nicht weit laufen kann (morgen vielleicht wieder); dass mir Manches einfach zu viel ist, weil es mich überfordert. DAS erwarte ich von meinem engsten Umfeld und bin bitter enttäuscht, wenn ich etwas anderes erleben muss.

Und doch weiß ich auch aus Erfahrung und vielen guten Gesprächen mit Freunden, dass sie es – glücklicher Weise –  auch einfach mal vergessen, dass ich einen Stuhl in meiner Nähe brauche, da ich – auch glücklicher Weise – so fröhlich und stabil wirke. Sie sind auch nur Menschen, die immerhin auch ein eigenes Leben mit Höhen und Tiefen führen.

Ich kann auch von Kollegen nicht erwarten, wenn ich zur Arbeit erscheine…, dass sie Rücksicht nehmen, weil ich „eigentlich“ doch zu schwach bin. Denn ich bin dort und somit haben sie das Recht,  mich als vollwertigen Mitarbeiter zu betrachten. Oder ich müsste wieder nach Hause gehen.
ABER: auch das habe ich festgestellt: hier und in allen anderen Situationen hilft es IMMER, wenn man sich MITTEILT, wenn man erklärt, dass man zwar anwesend ist, aber heute (!) nur auf Sparflamme laufen kann.
Oder dass ich bei einer Party zwar anwesend, aber nicht voll „einsetzbar“ bin und man mich deshalb auch nicht zum hundertsten Mal zum Tanzen auffordern muss, weil ich schon beim ersten Mal NEIN gesagt habe – weil ich es nicht mehr kann!

Erwartungen zu haben ist ja für unser gesamtes Leben auch wichtig und der Motor, um es zu beflügeln. Habe ich keine Erwartungen mehr, habe ich auch kaum noch Perspektive.
Habe ich aber Erwartungen, habe ich auch eine Motivation und diese kann bekanntlich Wunder wirken.

Ob man seine Erwartungen zu hoch gestellt hat, merkt man dann, wenn sie erfüllt, oder nicht erfüllt wird und im besten Fall lernt man daraus, speichert die Erfahrungen und Informationen und setzt sie beim nächsten Mal sinnvoll ein.
Ohne jegliche Erwartung zu sein, stelle ich mir traurig, leer und stumpf vor. Aber es gilt sicher, dass wir die Gratwanderung lernen zwischen einer Erfolg bringenden und einer unsinnigen Erwartung.

Ich erwarte mittlerweile wirklich nicht mehr viel … aber immer wieder und auch mit Freude.
Aber eine Erwartung, die ist mir heilig – und sie hat mich Freundschaften gekostet: ich werde sicher nie aufhören, gewisse Erwartungen an meine mir wirklich Nahestehenden zu haben. Denn ich gehe davon aus, dass sie eine normale Intelligenz besitzen, dass ich sie oft und klar genug über meinen Zustand, über MEINE Form der MS, aufgeklärt habe und dass sie mir vertrauen und GLAUBEN können. Wer dies nicht tut, der missbraucht meine Aufrichtigkeit, mein Vertrauen und somit meine Freundschaft. Dafür bin ich mir zu viel WERT und das möchte ich in meinem Leben nicht mehr aushalten müssen.
Freunde dürfen sich nur noch die Menschen nennen, bei denen ich aufrichtiges Interesse verspüre und zwar an mir als Mensch (!) und an meiner MS-Situation, denn mich gibt es nur in dem (Gesamt-) Paket.
Wer sich nicht nach mir erkundigt, und sei es, dass er selbst zu viel um die Ohren hat, wer nicht ein aufrichtiges Interesse zeigt und nicht VERSUCHT, zu verstehen, der hat in meinem Leben keinen Platz mehr. Vielleicht noch in meinem Herzen, denn ich werfe niemandem Böswilligkeit vor – aber in meinem kostbaren Leben, das ich so sehr einteilen muss, so viel Energiemanagement betreiben muss – dieses Leben kann ich nicht vergeuden.
Meine Erwartung ist deshalb ganz klar: in diesem Bereich meines Lebens möchte ich eine gewisse Erwartung stellen dürfen – das ist mein Recht!

So, wie es das Recht der Anderen ist, kein Interesse an meinem Leben zu haben – aber dann passen wir nicht zusammen!!!

Dass die Erwartung an meinen Körper, die MS würde sich von dannen trollen, zu hoch ist, ist klar. Sie habe ich schon lange nicht mehr, weil mich auch das zu viel Kraft kosten würde. Ich habe mich arrangiert. Aber dass man mich ernst nimmt, respektiert und toleriert, das ERWARTE ich!

Hallo MS, hallo Leben und hallo Erwartung! Copyright Heike Führ/multiple-arts.com

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