Niemals geben wir auf, sagen wir!
Und niemals aufgeben, sagen die anderen zu uns!
Ganz klar ist das auch mein Motto: ich möchte niemals aufgeben. Niemals. Wirklich niemals, denn wenn man sich aufgibt, hat man verloren.
Verloren haben wir allerdings sowieso so viel. Wir haben MS und wer zumindest schon einige bleibende MS-bedingte „Schäden“ zurück behalten hat, der kann ein „Lied davon singen“!
Glücklicherweise gibt es auch immer die guten Verläufe und die Menschen, die sich schnell erholen und nach einem Schub auch schnell wieder fit sind. Das ist allerdings kein Verdienst, sondern lediglich ein glücklicher Umstand und so ganz nebenbei erwähnt, finde ich es deshalb auch nicht schön, wenn „weniger Betroffene“, oder „anders Betroffene“ den STARK betroffenen MS`lern sagen, man müsse immer nur nach vorne schauen, dann „wird das schon wieder“!
Das ist so ähnlich, wie wenn ganz junge Leute reifen und erfahrenen Menschen Lebens- Ratschläge geben wollen. Es ist immer etwas dabei, was auch der Erfahrene nutzen und gebrauchen kann, aber MS hat sich wirklich niemand ausgesucht und seinen individuellen Verlauf schon gar nicht!
Und dann gibt es noch die „schleichende Verlaufsform“, die sowieso ihre eigenen Wege geht und die Betroffenen wirklich sehr oft und sehr schnell gebeutelt werden.
Ein MS`ler, der Marathon laufen und Berge besteigen kann, ist zu beneiden; er hat Glück und selbst wenn er viel dafür getan hat, um so weit zu kommen, heißt das lange noch nicht, dass ein anderer MS`ler bei gleichem Engagement das Gleiche schaffen würden. Das gilt es meiner Meinung nach vor ab zu bedenken und zu erwähnen.
Nun aber zum Aufgeben: Aufgeben ist irgendwie immer verknüpft mit Schwäche und Niederlage. Oberflächlich betrachtet hat es tatsächlichen diesen Anschein, denn wenn man etwas aufgibt, lässt man es sein. Vielleicht, weil man es nicht geschafft hat, weil es zu schwer war, zu viel, zu anstrengend oder einfach nicht passend.
Viele empfinden dann ein Gefühl der Scham, weil sie etwas „aufgegeben“ haben.
Dabei ist es oft auch so, dass man hundertfach etwas ausprobiert hat, es nicht gelingt und man dann ganz ruhig, ausgeglichen und selbstbewusst sagen kann und könnte: „Das ist einfach nicht mein Ding!“.
Dann würde es nach außen betrachtet keinen negativen Aspekt mehr darstellen, sondern es würde wie ein durchdachter Entschluss aussehen und das ist es dann ja auch.
Wir MS`ler haben meistens viel aufgeben müssen, häufig leidet auch die Lebensqualität darunter.
Ich weiß, dass ich es nicht mehr schaffe, einen Berg zu besteigen. Das hat außer meiner Fatigue noch vielerlei Gründe, allein schon deshalb, weil mich die Beine kaum noch tragen wollen.
Ich war früher Leistungsschwimmerin und habe auch während meiner MS noch viel Sport getrieben und hätte damals vielleicht auch eher behauptet, dass man nur „können wollen müsse“. Ich war noch nie ein Hardliner, aber ich dachte damals noch (vor 8 Jahren sogar noch), dass ich relativ unverwundbar wäre in dieser Beziehung. Bis es nicht mehr ging. KLATSCH! Punkt!
Ich weiß, dass ich, sollte ich mal wieder schwimmen gehen, keine 3 km mehr am Stück schwimmen kann – vermutlich bin ich froh, wenn ich eine Bahn schaffe. Und: ich habe es aufgegeben, weil es mir schon zu viel ist, bis ich im Schwimmbad angekommen bin, geschweige denn mich umziehe und dann schwimme (für 10 Minuten?) und dann das ganze Prozedere wieder rückwärts. Ich habe mich deswegen schlecht gefühlt, über Monate, aber nun denke ich, dass es einfach nicht mehr geht. Punkt!
Prinzipiell bedeutet Aufgeben auch Positives, wie z.B. es aufzugeben, es allen Recht machen zu wollen. Ich selbst verdiene ebenfalls Achtung und die gebe ich mir dadurch.
Ich ent-laste mich mit manchen Dingen auch, wenn ich sie aufgebe. Dies kann wie eine Befreiung sein und eine neue Chance, wieder bei mir selbst anzukommen, neue Türen zu öffnen und andere Dinge zu entdecken.
Also müssen wir uns frei machen von dem nur negativ Behafteten des Aufgebens.
Was aber im Sinne unserer MS gemeint ist, ist ja, dass wir nicht aufgeben sollen zu kämpfen, dass wir stark bleiben sollen und uns nicht aufgeben… Dass wir es schaffen, uns trotz MS durchs Leben zu manövrieren und dies, ohne Blessuren davon zu tragen. Das finde ich auch gut, denn wenn wir uns ergeben würden, dann würden wir vielleicht auch keine Kraft mehr haben, um uns der MS entgegen zu stellen. Keine Reserven mehr, um ihr zu zeigen, dass WIR unser Leben trotz dieser Krankheit meistern WOLLEN!
Deshalb ist es wirklich wichtig, den Kampf um das Leben, das lebenswerte Leben, nicht aufzugeben.
ABER: wir dürfen genauso auch schwach sein, traurig, niedergedrückt, wütend und verzweifelt! Das gehört zu einem normalen Leben ebenso dazu. Man kann nicht immer nur kämpfen.
Es ist ja eigentlich auch nicht gut, GEGEN unsere MS zu kämpfen. Mir gefällt es besser, ihr die „Stirn zu bieten“, denn Kampf beinhaltet so viel Gegenwehr. Die Stirn zu bieten bedeutet, stark zu sein, etwas auszuhalten, es zu akzeptieren – dafür muss man nicht in den Kriegszustand treten.
Gelassenheit tut uns sicher gut in dieser Beziehung; uns zu arrangieren mit der MS, mit ihren Symptomen und ihren Umständen und sehr sorgsam mit uns selbst umzugehen.
AUFGEBEN wollen wir nicht, aber schwache Momente dürfen und müssen wir haben, um auch wieder Kraft und Hoffnung zu schöpfen und zu finden. Das Leben ist ein Abenteuer, auf das wir uns einlassen müssen und unseres ist besonders abenteuerfreudig, noch dazu ungefragt. Aber mit Mut, Kraft und LOS-Lassen können wir Schritt für Schritt dem NICHT-AUFGEBEN näher kommen und das in liebevoller Zuwendung zu uns selbst, ohne Kampf, ohne Krampf und Zwang. Das wünsche ich uns allen! Copyright 2014 Heike Führ/multiple-arts.com