Inkontinenz bei Multipler Sklerose
Was bedeutet Inkontinenz bei MS?
Oft kündigt sich eine MS auch schon mit kleinen inkontinenten Problemen an: beim Hüpfen oder Rennen… *tropf tropf* und das kleine Malheur ist da.
Es ist peinlich, scheinbar wieder ins Kleinkindalter zurückgeworfen zu werden und plötzlich keine Kontrolle über den Harnabgang zu haben.
Noch unangenehmer wird es, wenn man den Stuhlgang nicht einhalten kann. Und deshalb wundert es auch nicht, dass es ein Tabu behaftetes Thema ist. Leider, denn würden sich Betroffene offen austauschen, könnten sie über viele Hilfsmittel berichten.
In meinem Buch „Alltags-Tipps bei MS“ schreibe ich ausführlich darüber: hier der Ausschnitt.
„Menschen mit MS leiden häufig unter
Inkontinenz und Blasenstörungen.
Bei Betroffenen mit MS kommt es oft zu einer Überaktivität der Blase, so dass sich Symptome der Dranginkontinenz zeigen. Die Restharnbildung entsteht in der Regel durch eine sogenannte komplexgestörte Blase, da die nötigen Muskelgruppen nicht mehr richtig zusammenarbeiten können. Im Extremfall kann es bei Patienten mit MS auch zu einer vollständigen Inkontinenz durch eine inaktive Blase kommen, das heißt, dass eine enorme Schwäche oder komplette Lähmung des gesamten Blasensystems vorliegt.
Unterschiedliche Formen der Harninkontinenz
(Quelle: aktiv-mit-ms.de)
Mediziner unterscheiden je nach Lage der Läsion drei verschiedene Formen von Blasenstörungen:
- hyperaktive Blase
Häufig kommt es zu einer Überaktivität der Blasenmuskulatur: Sie beginnt schon bei geringen Urinmengen in der Blase, sich zusammenzuziehen. Dies äußert sich in starkem Harndrang bei noch nicht gefüllter Blase, der so stark sein kann, dass es zu einem ungewollten Urinabgang kommt (imperativer Harndrang). Deshalb nennt man diese Form einer Blasenfunktionsstörung auch Drang- oder (englisch) Urge-Inkontinenz.
- komplexgestörte Blase
Bei einer komplexgestörten Blase ist das Zusammenspiel der beteiligten Muskelgruppen für Blasenentleerung und Blasenverschluss gestört. Bei dieser Form der Harninkontinenz kommt es daher auch häufig zu Restharnbildung. Diese stellt ein großes Risiko für Harnwegsinfekte dar und bleibt bei MS-Betroffenen wegen gleichzeitiger Sensibilitätsstörung oft unbemerkt.
- inaktive Blase
Bei der dritten Form der Harninkontinenz ist eine Schwäche bis hin zur Lähmung des Schließmuskelsystems der Blase die Ursache für die Inkontinenz.
Theorie ist die eine Sache, es auszuhalten ist etwas ganz anderes. Und wieder einmal ist es ein unsichtbares Symptom, das den Alltag erheblich beeinflusst und erschwert.
Ich kann hier nicht detailliert auf die Behandlungsmethoden eingehen, aber neben einer Medikamentengabe steht auch das Blasentraining mit an vorderster Stelle. (Ziel dieser Selbstbehandlungs-Strategie ist es, die Blasenentleerung zeitlich zu steuern. Man soll lernen, wie beim Wasserlassen ein fester Zeitplan eingehalten werden kann. Beispiel: alle zwei oder drei Stunden zur Toilette gehen).
Beckenbodentraining
ist ein weiteres sinnvolles Mittel: Starke Beckenbodenmuskeln unterstützen die Blase und sind für eine gute Blasenfunktion unerlässlich
Elektrostimulation:
Mit elektrischem Strom wird der Muskel um die Blase gestärkt. Diese Therapieform ist völlig schmerzlos.
Selbst-Katheterisierung:
Katheter sind oft das einzige wirkungsvolle Mittel gegen Restharnbildung. Wenn Medikamente und/oder Beckenbodentraining alleine nicht weiter helfen, sorgen die Katheder dauerhaft für eine vollständige Entleerung der Blase. So ist die Sorge vor ungewollten Abgängen geringer. Betroffene lernen damit den eigenständigen Umgang. Viele Betroffene, die diese Technik anwenden, haben immerhin das Gefühl, wieder ein Stück Kontrolle und eine gewisse Selbständigkeit gewonnen zu haben.
Vorlagen, Spezialunterwäsche und weitere Angebote gelten als zuverlässige Hilfsmittel.
– Vorlagen/ Einlagen
Vorlagen sind in der Regel anatomisch geformt und werden durch Netzhosen oder Schutzhosen fixiert. Dadurch können sie zwar leichter verrutschen, aber sie lassen durch ihre geringere Größe mehr Luft an den Intimbereich.
Einlagen sind Hilfsmittel bei Inkontinenz, die vor allem bei leicht ausgeprägter Blasenschwäche verwendet werden. Sie ähneln einer Damenbinde und werden ebenso im Slip befestigt und platziert.
– Aufsaugende Hilfsmittel
Dies können beispielsweise Windel-Slips, Pants oder Einlagen mit Hüftgürtel sein. Diese einteiligen Systeme haben den Vorteil, dass sie sehr sicher und eng am Körper liegen. Zweiteilige Systeme können beispielsweise aus einer Vorlage/Einlage und einer Fixierhose bestehen, oder aber Betroffene nutzen Vorlagen in Kombination mit eng anliegenden Hosen.
Besprechen Sie mit Ihrem Urologen und/oder Neurologen, was für Sie und Ihre Lebensgewohnheiten am besten ist. Vielleicht kann man ja auch etwas kombinieren.
– Pants/ Trainers/ Inkontinenzhosen
All diese Hilfsmittel sind in verschiedenen Größen und mit unterschiedlichen Saugstärken erhältlich. Sie werden eher bei leichter bis mittelmäßig stark ausgeprägter Inkontinenz eingesetzt.
Die Pants werden wie normale Unterwäsche an – und ausgezogen, haben allerdings den Nachteil, dass sie nicht so einfach gewechselt werden können. Daher eignen sie sich nicht als Hilfsmittel für Patienten mit starker Inkontinenz.
– Windel-Slips / Erwachsenenwindeln
Windel-Slips ähneln stark einer Baby-Windel. Dafür kann sie aber deutlich größere Mengen an Urin auffangen. Deshalb werden sie eher bei schwereren Formen der Inkontinenz eingesetzt.
Sie sind sehr bequem und bieten so sicheren Schutz, dass sie sogar oft freiwillig von MS`lern mit leichter oder mittlerer Harninkontinenz getragen werden
– Matratzen-Auflage
Sie dient zum Schutz des Bettes und der Matratze. Die Auflagen bestehen aus mehreren Lagen Zellstoff, in denen der Urin aufgefangen wird und einer Folie, die das Durchnässen verhindert.
– Vaginaltampons, Pessare, Plugs
Diese Hilfsmittel werden in die Scheide eingeführt, wo sie durch Druck dafür sorgen, dass Harn nicht unverhofft entweichen kann. Der Harnröhren-Plug verdichtet den Kanal nicht in der Scheide, sondern direkt innerhalb der Harnröhre.
Zusammenfassung:
- Trinken Sie lieber tagsüber viel und abends wenig. Am besten trinken Sie Wasser (mindestens zwei Liter täglich).
- Trinken Sie möglichst keinen Alkohol! Auch Koffein kann schädlich sein, da Bier, Kaffee und Cola den Harndrang erhöhen.
- Versuchen Sie regelmäßig und täglich die Blase alle zwei bis drei Stunden zu entleeren.
- Pflegen Sie den Genitalbereich ohne Seife – die Haut könnte sonst austrockenen und anfälliger für Bakterien werden.
- Achten Sie bei Ihren Hosen darauf, dass sie nicht zu eng sind und womöglich auf die Blase drücken.“
-> Auszüge aus meinem Buch:
„SEXUALITÄT – Positive Tipps bei chronischer Erkrankung“
und
“Alltags-Tipps bei Multipler Sklerose”
-> https://www.amazon.de/Alltags-Tipps-bei-Multipler-Sklerose-Praktische/dp/3739224665
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Copyright 2014 Heike Führ/multiple-arts.com
Beim Thema Sexualität spielt das Thema Inkontinenz nochmal eine größere Rolle. Hierzu gibt’s Tipps in meinem Buch „SEXUALITÄT – positive Tipps bei chronischen Erkrankungen“ und hier:
http://multiple-arts.com/intimitat-ist-mehr-als-sex-multiple-sklerose-und-sexualitat/
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