Archiv für den Monat: September 2013

* „Messer; Gabel, Scher` und Licht, sind für kleine Kinder nicht!“

2013 09 26 21.26.13 300x225 - * „Messer; Gabel, Scher` und Licht,  sind für kleine Kinder nicht!“

Messer und Gabel sind zum Essen da. Also zur Zuhilfenahme zum Essen. So muss es richtig heißen.

MS`ler haben da aber unter Umständen sowieso ihre eigene Theorie. Vielleicht sollte man es umformulieren und sagen, sie „sollten“ zur Zuhilfenahme da sein.

Auch MS`ler wissen rein theoretisch, wie man mit diesem Esswerkzeug stilistisch und praktisch richtig umgeht. Das haben wir ja alle einmal gelernt. Und wir haben es auch noch nicht vergessen. Das wollte ich nur einmal bemerkt haben.

Nur macht uns unser Gehirn beim praktischen Umsetzen des Gelernten manchmal einen „Strich durch die Rechnung“. Die Gabel gehört in die linke, das Messer in die rechte Hand. Na dann, so schwer kann es doch nicht sein.

Tja, soweit die Theorie.

Meine Freundin P. berichtete mir neulich völlig verzweifelt davon, dass ihr in letzter Zeit des Öfteren das Besteck aus der Hand fiele. Gut, könne man erstens meinen, das passiert jedem mal. Wir wissen ja aber, warum es unsereins passiert und das macht es delikater. (für „Nicht-MS´ler“: Koordinationsstörungen, Feinmotorik, Kraftlosigkeit – einige der Gründe, warum es uns TATSÄCHLICH manchmal schwer fällt, „einfach“ Messer und Gabel zu halten).

Zweitens könne man meinen, dass man es wieder aufhebt und es damit gut sei.

Nur ist es ja so, dass ein „Aufheben“ ebenfalls wieder zum Balanceakt führt und gleichermaßen wieder Feinmotorik, Gleichgewicht und Krafteinsatz gefordert ist.

Drittens könne man meinen, dass dies alles vermehrt Kalorien verbrauche und man dadurch ja kaum zum Essen käme; dies also eine sinnvolle Diät-Taktik sei.

Ja, könne man meinen.

Tatsächlich aber ist es Gehirnjogging, da das arme MS geplagte und mit zig entzündlichen Stellen versehene Gehirn gerade einmal wieder Höchstleistungen erbringt, zumal die emotionale Gehirnhälfte gerade damit beschäftigt ist, sich zu schämen, dass „es“ uns schon wieder passiert und auch langsam beginnt, wütend zu werden.

Hallo Intentions – Tremor, hallo MS!


Zurück zu P.: sie hat es geschafft, ihren Teller brav und fast ohne Verletzungen leer zu essen. Sie brauchte dafür länger (ist bestimmt auch gesünder), aber sie hat es geschafft; sich aber auch gleichzeitig geschworen, das nächste Steak in mundgerechte Stücke geschnitten zu erwerben 😉

Messer, Gabel, Scher` und Licht,

sind für uns MS`ler nicht!“

Möge man sich ausmalen, wie solch eine Situation weiter ginge, wenn man noch eine Kerze anzündet und diese, bedingt durch den Tremor, gemeinsam mit dem Messer zu Boden fällt und das MS-Gehirn in seiner eventuellen Überforderung eine Entscheidung treffen muss, ob es erst den in Flammen aufgehenden Fußboden löscht (und zwar schnell (!) : Aufspringen, Wasser holen oder Ähnliches), oder das Messer aus einer Verletzungszone entfernt … und sich dabei womöglich noch an den Zinken der mit heruntergerissenen Gabel aufspießt, nachdem sich unterwegs das eigentlich zum Munde zu führende Fleischstück dem übrigen Chaos auf dem Fußboden zugesellt hat… 😉
Übertreibung?

Nein! Nicht unbedingt … Ein Essensszenario der besonderen Art. Es geschah in einer kleinen Wohnung in Mainz.

Hallo MS!

Des weiteren schimpft P. berechtigt über Verschlusspackungen. Manchmal kommt man ja kaum zum Einsatz von Messer und Gabel, da man die Verpackungen, wieder bedingt durch mangelnde Feinmotorik und Kraft, gar nicht erst auf bekommt.

Sie sagte in ihrem unbezahlbaren Humor, dass sie ja mit Vergnügen eine Packung wieder verschließen würde, wenn sie sie doch vorher nur auf bekäme 😉

Somit hat sie an diesem denkwürdigen Tag beschlossen, keine Verpackungen mit wieder verschließbaren Nahrungsmitteln mehr zu erwerben.

Hallo MS! Hallo Alltag! Hallo Humor, der über Verzweiflung siegt!

©Heike Führ / multiple-arts.com

* Meine Schwiegertochter (2013)

Ich habe ja schon beschrieben, wie froh und glücklich ich bin, 2 tolle erwachsene Kinder zu haben.

Mein nun 28 jähriger Sohn hat seit ein paar Jahren eine wahnsinnig nette und liebe Freundin.

Er hatte immer tolle Partnerinnen, mit denen ich mich sehr gut verstand. Als dann aber M. in unser aller Leben trat, war es Liebe auf den ersten Blick, auch bei mir … Damals lebte mein Sohn nicht mehr zu Hause, was bezüglich einer „neuen Freundin“ erst einmal eine neue Erfahrung für mich war. Vorher habe ich sie ja immer schnell kennen lernen können, da ein Zusammentreffen zu Hause „unvermeidlich“ war 😉

Nun war ich also darauf angewiesen, dass er sie mir „vorstellt“.

Aber da mein Sohn MICH sehr gut kennt, meine liebevolle Neugierde, mein Wissen wollen, dass es ihm gut geht, hat es nicht all zu lange gedauert, bis ich unseren Schatz kennen lernen durfte. Es bot sich als lockeres Zusammentreffen ein Musik-Auftritt meines Mannes an: entspannte musikalische Atmosphäre, einige unserer Freunde waren ebenfalls mit gekommen: also ein fröhliches Zusammensein unter geliebten Menschen.

Im Nachhinein erzählte sie mir, wie aufgeregt sie war, aber als ich sie sah, die Art, wie die Beiden gemeinsam auf uns zu kamen, da hatte ich sie bereits ins Herz geschlossen.

Es war die gleiche Wellenlänge, die uns auf Anhieb verband, ihr Wesen und natürlich die Art, wie sie mit meinem Sohn (und umgekehrt) umging. Der Abend wurde wundervoll, wir haben sogleich gemeinsame Vorlieben , als auch Abneigungen, z.B. gegen dicke fette Spinnen, entdeckt 😉 Wir haben sofort ein ganz besonderes Band geknüpft, das sich mittlerweile stark gefestigt hat. M. ist eine Art Frau und Schwiegertochter, die mir meinen Sohn „zurück gebracht“ hat. Mein wortkarger Sohn, der ja nicht anrufen muss, um mir zu sagen, dass „alles ok“ sei („reine Zeitverschwendung“)   😉 und der, wenn er mal „auf nen Sprung“ bei mir vorbei kam, auch nur das Notwendigste mitteilte, (dies allerdings sehr innig, vertrauensvoll und „nah“), hat nun eine Partnerin, der ebenfalls Familie wichtig ist, der Zusammengehörigkeit wichtig ist, die uns offensichtlich mag und gerne hier ist. Ich glaube, jede Mutter eines Sohnes kann mir nachempfinden, welch Geschenk solch eine Schwiegertochter ist, welch Segen für das Mutterherz. Und als Mutter mit MS ist eine solche junge Frau, die noch dazu völlig offen und locker mit der Situation rund um die MS umgeht, ein noch größerer Segen.

Ich kann kaum beschreiben, wie glücklich ich bin, dieses Mädel in unserer Familie zu haben, sie und P. gemeinsam liebevoll miteinander zu erleben; noch dazu zu sehen, wie sich meine Tochter und sie verstehen.

Eine Harmonie der besonderen Art, da es in meinem unserem (MS)-Leben so wichtig ist, dass wir uns ohne große Worte aufeinander verlassen können.

Es ist schön zu erleben, dass es einfach selbstverständlich für alle meiner Kinder incl. Anhang ist, dass ich auf Grund der MS gewisse Sachen nicht leisten oder mitmachen kann. Zu erleben, wie wenig es hier eine Rolle spielt. Wie unwichtig es ist und mich dadurch nicht definiert.

Es ist zum Beispiel logisch, dass ich bei einem Umzug nicht helfen kann, aber ich werde bei anderen Gelegenheiten gefragt, ob ich z.B. ein spezielles Bild für die Hochzeit ihrer besten Freundin malen kann, ob ich mal einen Kuchen beisteuern kann usw. Das sind Dinge, von denen meine Kinder wissen, ich KANN es und das hat M. direkt übernommen, direkt erkannt und ich bin so dankbar dafür.

In meinem „früheren Leben“ war ich ein „Tausendsassa“: habe locker den Eintopf für den Umzug vorbereitet, dazwischen noch Wände gestrichen und aufgeräumt, Kartons gepackt und konnte dann noch am Umzugstag mit an packen. Heute würde mich allein der Gedanke daran erschöpfen. Aber ich kann andere Dinge leisten und deshalb bin ich so dankbar, dass meine Kids und deren Partner das so völlig unbefangen, ohne in Frage zu stellen, mit übernehmen.

Sie geben mir dadurch die Chance, Mensch zu sein und zu bleiben und kein „MS`ler“, der dies oder jenes „sowieso nicht packt“.

Welch Geschenk, welch Gabe und ja, welch Segen.

M., ich hab Dich lieb und wünsche uns allen eine schöne gemeinsame Zukunft und danke, dass Du so bist, wie Du bist: eine sehr einfühlsame empathische Frau, hilfsbereit ohne jemals aufdringlich zu sein, flott und kompetent. Für mich ein unbezahlbarer Schatz und eine Bereicherung für unsere Familie. PS: mittlerweile haben wir auch M`s Eltern mit Partnern kennen gelernt und auch hier erweitert es einfach, schlicht und ergreifend, die Familie und auch hier ist zwar die MS notgedrungen ein Thema, aber kein Hindernis. Und wenn ich dann so über mein Leben reflektiere, stelle ich fest, dass es Momente gibt, in denen die MS einfach keine Rolle spielt. Aber das gelingt auch nur, weil es solch lieben Menschen gibt, die unkompliziert mit mir und meinem besonderen Leben leben.
©Heike Führ/multiple-arts.com

* Meine TOCHTER (2010)

Es ist ein Geschenk, auch eine Tochter zu haben. Ein wundervolles Geschenk! Für jede Mutter: mit oder ohne MS!

Uns verbindet Vieles ( auch das Aussehen, was Töchter ja immer ganz schrecklich finden)! Und alle schlechten Dinge hat das arme Kind geerbt: die häufigen Bauchschmerzen, die Kreislaufprobleme, die Migräne! Nicht schön!

Oder: die blonden Haare, die blauen Augen: furchtbar! 😉

Und wir haben ein gemeinsames Hobby: Shoppen!

Und es gibt tatsächlich Wunder: nicht, dass ich jemals daran gezweifelt hätte, aber dieses Wunder überlistet auf wundersame Weise meine MS:

Das Shopping-Wunder: je wilder, desto besser!

Kurzheilung für wenige Stunden! Ein MS-Wunder!

Allerdings ein geplantes Wunder: wir fahren gemeinsam an einem gut ausgewählten Tag, mit extrem gut geplantem MS-Energie-Haushalt, zu einem ebenfalls gut ausgewählten Shopping-Center (es müssen viele Sitzmöglichkeiten und Ruhezonen vorhanden sein, keine unnötigen Um-Wege, keine Unebenheiten auf den Böden, gut für mich zu Fuß machbar, usw.) .

D.h., sie fährt: dort beginnt der Luxus einer erwachsenen des Autofahrens mächtigen Tochter: sie fährt, ich sitze neben dran und haushalte immer noch mit meinem Energie-Konto und verspreche ihm, ganz brav zu bleiben, es nicht zu übertreiben und gut mit “ihm” umzugehen. Schließlich habe ich mich tagelang auf diesen Ausflug mit viel Ruhe, Pausen und wenig Action vorbereitet!

Wir kommen an und sind ein gut eingespieltes Team: S. kennt meinen Rhythmus: gucken, anprobieren, sitzen, Power-ausruhen; zumindest ich, während S. in dem jeweiligen Laden weiter sucht und findet…
Wenn meine Sitzpause aufgehoben werden kann, geht es weiter: ab in den nächsten Laden und das Spiel beginnt erneut.

Nur ein winziges Zeichen von mir und meine Tochter weiß: Power-Sitzen ist angesagt: sofort (!) wird ein Café angesteuert: Mutter sitzt direkt: Tochter besorgt Getränke und etwas zum Essen. Eingespielt, vertraut, wundervoll!

Genuss pur: doppelter Genuss: ein gemeinsamer Tag mit meiner Tochter, nur sie und ich, und Shoppen!

Mein Energiekonto bedankt sich zwischendrin mit einem strahlenden Nicken. Mir geht es gut! Immer noch!

Ein Zeichen von mir: wir können weiter „stürmen“ – wie gewohnt, bis es das nächste Signal von mir gibt: so erleben wir einen herrlich wundervollen gemeinsamen Tag, erfolgreich und glücklich, mit vollem Bauch, nur ab und zu tauben Gliedmaßen und dem unglaublich schönen Gefühl, dass meine süße Tochter eine wunderbare Sensibilität für meine jeweilige Befindlichkeit hat, ohne dass wir große Worte tauschen müssen und dass sie trotz des Umstandes mit meinen Beeinträchtigungen es Wert findet, einen Tag mit mir gemeinsam so zu gestalten und auch zu genießen. Das ist für mein Mutterherz und zusätzlich für das MS-Mutterherz ein außergewöhnlich und einzigartiges Empfinden und stärkt das Selbstwertgefühl. Und ein Wunder wird wahr: das Tochterwunder und das MS-Wunder!

Ich bin so unendlich stolz auf sie!
Danke!

Hallo MS, hallo Wunder!
PS: 2013: leider ist dieses Shopping-Wunder teilweise nur noch eingeschränkt, mit Gehstock usw. möglich, aber wir lassen uns dieses für uns beide besondere Wunder auch jetzt nicht nehmen!
Und auch hier gilt, genau wie bei meinem Sohn: ich bin unendlich stolz auf solch eine Tochter, auf ihr Feingefühl und ihre Ausdauer und dass sie mich in meinem Leben auf diese und viele anderen Weisen begleitet, hilfreich und unterstützend. Glücklich bin ich ebenso, dass sie einen Partner hat, der auch diese Hürde mit ihr gemeinsam nimmt.
©Heike Führ/multiple-arts.com

* mein SOHN (von 2002)

Ein für mich sehr dramatischer Augenblick: P., damals 17 Jahre alt, in der Ausbildung zum Versicherungskaufmann, gerade für ein paar Wochen in der Abteilung „Krankenversicherung“ aktiv, entdeckt meine auf dem Tisch liegende Krankmeldung mit der Ziffer G35.

Meine Kinder wissen von Anfang an, dass ich MS habe, aber da es mir eine Zeit lang sehr gut geht, spielt die MS keine wichtige Rolle in unserem familiären Leben und wird dementsprechend auch nicht mehr als notwendig erwähnt. Vielleicht wollte ich auch unbewusst meine Kinder schützen: wenn man nicht dauernd darüber spricht, ist es auch nicht da… Richtig? Wer weiß es? Fakt ist, dass es so schwer ist, deutlich darüber zu reden, weil man doch eine gesunde “normale” Mutter sein möchte.

Irgendwie ist es zwar noch da, dieses Phantom Krankheit, aber nicht mehr so präsent. 

Und nun liegt dort auf dem Küchentisch die böse bedrohliche “Ziffer” G35!

Mein Sohn sieht die Krankmeldung und erschrickt: Hilfe, da war ja was! Nun ist es wieder da!

Wer will das schon?! Sein Blick zerreißt mir das Herz und tut mir heute noch weh. Seine junge Welt erhält einen Riss, einen deutlichen Riss. Nun steht es da: schwarz auf weiß! Nicht mehr auszulöschen!

Er „weiß“ ja, dass ich MS habe, aber Wissen und Sehen / Bewusstwerden ist doch noch einmal ein Unterschied.

Was geht in einem Jugendlichen vor, der , wie er mir dann später sagte, dienstlich oft telefonisch mit MS-Patienten zu tun hat, der während des Zivildienstes schwer MS-kranke Menschen betreut hat und mir das damals nie in dieser Deutlichkeit erzählte?!

Eine Bewusstheit von Endlichkeit der Gesundheit seiner Mutter? Schrecklich!

Ich möchte meinen großen Sohn in den Arm nehmen, ihn trösten, wie früher, als er ein kleiner Junge war, auf meinem Schoß saß und alles “wieder gut ” wurde. Aber diese Zeiten sind vor bei: der kleine Junge ist ein junger wissender Mann geworden und vermutlich wird ihm in jenem Moment bewusst, wie sehr er gerade erwachsener geworden  ist!

Mein Sohn nimmt mich in den Arm, so ändert sich das im Leben!

Und wie immer: alles birgt Chancen: aus meinem Sohn wird ein wundervoller zuverlässiger und sehr sensibler junger Mann, der seinen eigenen Weg geht; und er geht ihn gut und sicher! 

Manchmal werden Kinder von chronisch Kranken früher oder anders erwachsen: er hat es geschafft und ich bin unendlich stolz auf ihn! Und dankbar, wenn ER MICH in den Arm nimmt. Es ist so unvergleichbar und einfach wunderschön, solch einen Sohn zu haben. Und vor Allem genieße ich es, dass er mich an seinem Leben teilhaben lässt!

Ich lebe nämlich, und wie!

Hallo MS, hallo Leben, hallo Kinder!

PS:2013: mein Sohn kann immer noch sehr gut mit  der MS umgehen und lernt auch sicher noch jeden Tag dazu. Noch dazu hat er eine wundervolle Freundin, Melli, die mir ebenfalls sehr viel bedeutet und die ganz sicher nicht „unschuldig“ daran ist, dass er immer besser mit meiner Situation umgehen kann. Ich danke Dir, liebe Melli, ich danke meinem Sohn, ich hab Euch lieb! (zu meiner  Tochter kommt noch ein extra Text – aber ich kann sagen, dass ich sehr stolz auf meine Kinder und Schwieger-Kinder bin. Glücklich noch dazu!!!)

©Heike Führ/multiple-arts.com

*Zwei MS`ler beim Mexikaner

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Zwei MS`ler beim Mexikaner   2011     

 Ist es in Mexiko üblich, mit Fleisch um sich zu werfen? Nein, sicher nicht! Im Gegenteil: in diesem Land wären die meisten Menschen froh, wenn sie genügend Fleisch zum Essen und überhaupt genügend Nahrung hätten.

Wir leben hier definitiv und auch glücklicher Weise in einem „reichen“ Land und können es uns leisten, zum “Mexikaner” zum Essen zu gehen: Verwöhnprogramm für die Sinne: tolle Einrichtung, leckeres Essen. Herrlich!

Aber da kann schon ein klitzekleines Problem beginnen: 2 MS`ler verabreden sich für eben diesen Mexikaner: es geht schon gut los: bis wir sitzen: au weia! Wir fallen so gar nicht auf, als wir bepackt mit ein paar Einkaufstüten unsere Probleme haben, all dies zu koordinieren: im engen Restaurant vorsichtig laufen, Platz suchen, hinsetzen, nicht gleich den Nachbartisch abzuräumen, weil eine ungelenke Bewegung zu Peinlichkeiten führen könnte … Also ist Aufpassen angesagt, was es manchmal noch schlimmer macht, weil einem dann bewusst wird, dass auch “aufpassen” nicht immer effektiv ist. Die MS, bzw. die daraus resultierende verlorengegangene Feinmotorik, geht wie immer ihren eigenen Weg (im wahrsten Sinn des Wortes!).

Wir sitzen: Juhu, wir haben es geschafft, noch nickt man uns von den Nachbartischen aus freundlich zu.

Die Speisekarte: die nächste Herausforderung: der Platz auf dem kleinen Tisch reicht nicht, um die Kerze und den Salzstreuer so  außer Reichweite zu halten, dass wir  sie nicht mit eben dieser Karte wegfegen. Salz auf dem Tisch, Feuer gerade noch vermieden!

Peinlich zum Ersten! Hallo MS!

Es werden Nachos mit Salsa-Sauce gereicht! Lecker! Und der erste Hustenanfall: wieder hat es der übersensible MS-Rachen nicht geschafft, die würzige Speise ohne Aufbegehren zu genießen.

Peinlich zum Zweiten! Und: Hallo MS!

Ich brauche schnell etwas zum Trinken …. schnell !!!!

Die Getränke kommen, was ein Glück! Ich stürze mein Mineralwasser hinunter! Puh! Das wäre erst mal geschafft!

Und ich bin nun vorsichtiger, habe ja nun schon “Lehrgeld” gezahlt! Wieder einmal!

Und bestelle vorsichtshalber gleich nochmal ein Wasser! Man weiß ja nie! Hallo MS!

Die Hauptspeise kommt: nein, mir passiert nichts Peinliches! Nein, mir doch nicht! Ganz locker bleiben!

Meine Freundin grinst schon, ist ihr doch eben erst einmal die Gabel aus der Hand auf den Fußboden gefallen. Nein , nicht peinlich, passiert Jedem mal. Aber wir wissen, warum es uns passiert! Hallo MS!

Das Aufheben der Gabel wird zum lustigen Balance-Akt! Sie schafft es, dabei  nicht vom Stuhl zu fallen, nicht die Tischdecke mit herunter zu ziehen und unversehrt – wir sind beide sehr stolz darauf! – wieder aufzutauchen! Hallo MS!

Ich greife noch einmal zu meinem Wasserglas und werfe dabei die Wasserflasche um … nicht peinlich, nein!

Ok, doch! Peinlich zum Dritten! 

Gut, dass ich schon ein zweites Getränk bestellt und somit „in petto“ hatte! Wir lassen es uns schmecken, amüsieren uns über unser (Un-)Geschick und tun so, als ob wir keine MS hätten. Man sieht es uns ja nicht direkt an. Oder doch?

Ups, was ist mit dem linken Zeigefinger los? Krampf, taub? Interessanter ist das, was dadurch passiert: wie im Film: das gerade noch geschnittene Stück Fleisch saust quer durch den Raum. Peinlich? Nein, natürlich nicht! Passiert doch Jedem mal! Oder so dann doch nicht???

Ok. Peinlich zum Vierten!

Die anderen Gäste sind nun doch so langsam auf uns aufmerksam geworden. So ganz normal geht das wohl an diesem seltsamen Tisch mit diesen beiden Frauen nicht ab. Die Summe macht es vermutlich aus … 😉

Wir lassen uns nichts „anmerken“ und verfolgen auch nicht so genau, wo das Stück Fleisch denn nun gelandet ist. Wir lachen herzhaft, weil wir uns an eine  Filmszene erinnern (war es “Pretty Woman”???). Also doch wie im “echten” Leben! 😉

Immerhin schaffen wir es, uns den Rest des Abends zu “benehmen”, es passieren kaum noch nennenswerte Peinlichkeiten, mal abgesehen davon, dass ich mir beim anschließenden Cocktail trinken den Strohhalm ins Auge steche …

Ach, und hatte ich erwähnt, dass ich mehrmals aus Versehen, natürlich aus Versehen, in die Palmenblätter biss, die sich direkt neben mir immer wieder in

meine Richtung bogen? 😉

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War nicht so lecker!

Wir haben den Abend hinter uns gebracht, ohne einen Arzt konsultieren zu müssen, haben viel gelacht und Spaß gehabt und den anderen Gästen etwas geboten: na also: ein gelungener Abend mir ein paar wenigen

Peinlichkeiten! 🙂

Hallo MS!

©Heike Führ

* „Me, myself and I“

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Me, myself and I“                                                                         2010

Nicht zum Lachen, oder doch? : eine Persönlichkeit mit DREI „ICHS“!

Und doch haben in meiner letzten Reha alle Betroffenen und „Mit-Rehaner“ über diesen selbstironischen Satz von X. mit geschmunzelt.

Und so weit hergeholt ist es ja nicht:

Bei uns MS`lern sicher im Normalfall nicht im psychiatrischen Sinne von Schizophrenie. Aber dem lustigen Abend, an dem wir alle viel geblödelt haben, ist für mich ein ernsthafter Gedanke entsprungen: wo ist mein ICH?

Zeitweise habe ich das Gefühl, es vor lauter MS verloren zu haben. Und plötzlich finde ich es wieder: da ist es, mein altes vertrautes ICH.

Ich kenne Dich noch; oder: ich erkenne Dich noch. Welch Freude!

Und doch merke ich, dass sich mein altes ICH schon etwas zersplittert hat: es ist nicht mehr in seiner Grundsubstanz als Ganzes da. Als ob es Risse bekommen hätte, die zu Abspaltungen führten.

Dieses ganz alte ICH, das so komplett war, das scheint es nicht mehr zu geben.

In früheren, vermeintlich gesunden Zeiten, hatte ich ein ICH, das gefestigt war, das seine Frau stand und mit sich und der Welt zufrieden war. Immerhin kann ich bei genauem Hingucken erkennen, dass die Grundsubstanz noch unverletzt ist. Was ein Glück! Manchmal muss man tief schauen. Und dann lohnt es sich!

Früher, da sah alles noch so einfach aus, so unkompliziert und erfrischend.

Ein praller Strauß wunderschöner Blumen.

Heute sind sie verwelkt … die Meisten jedenfalls. Aber ich gebe sie nicht auf: sie können jeder Zeit wieder zu beginnen zu blühen, das hat uns die Natur gelehrt.

1994 wurde mein, glücklicher Weise recht gefestigtes, ICH stark erschüttert: ICH konnte auf dem linken Auge nichts mehr sehen und grotesker Weise war dieses Auge auch noch nach außen stehend gelähmt. Ich konnte MICH nicht mehr richtig sehen. Wo war ICH?

Tagelang war ICH verloren in der Klinik, bei Untersuchungen, Gesprächen, Vermutungen und MRT`s. Ich war nicht mehr ICH; ich war JEMAND im Krankenhaus, in der Maschinerie einer Uni-Klinik: unpersönlich; keiner hat sich um mein ICH gekümmert: ich war ein hochinteressanter Fall mit gelähmten blinden Auge.

Irgendwann war klar: ich habe wohl MS. Schock! Aber da ich ja ein gefestigtes ICH hatte, habe ich mit Hilfe meiner Familie und lieben Freunden mein ICH nicht verloren. Was ein GLÜCK!

In den nachfolgenden Jahren gab es immer wieder Stunden, Tage, Wochen, in denen ich mich verlor: in einer Welle aus Angst und Ungewissheit. 

Mein Mutter-ICH hatte das Glück, immer weiter funktionieren zu können und zu müssen. DAS habe ich nie verloren, weil der Mutter-Trieb scheinbar stärker ist, als das „verwirrende“ ICH, das mir das geliebte vertraute „Vor-der-Krankheit-Ich“ ab und zu stahl.

Aber zurück zu den DREI  ICH`s: mein ALT-ICH hat mich also nie verlassen, es irrt scheinbar nur mal zwischendurch auf Abwegen, aber ich kann es wieder finden, oder es sucht MICH.

Dann gibt es noch mein ANGST-ICH: an guten Tagen wird es vom ALT-ICH deutlich übertrumpft. Wenn sich dieses aber gerade auf Abwegen befindet (natürlich ungefragt), dann schießt es aus den Untiefen hervor und quält mich. Vielleicht sollte ich es QUÄL-ICH nennen: es ist gemein, unberechenbar und oft nicht aufzuhalten. Manchmal lässt es sich beruhigen und zieht sich wieder fast völlig zurück. Aber ich habe das Gefühl, dass ich es noch nicht ganz besiegt habe. Ich glaube, dieses QUÄL-ICH ist mit meiner MS liiert – es geht fast ausschließlich um diese Krankheit, wenn es wüst und ungestüm hervor kommt.

Und dann gibt es noch ein NEU-ICH: das ALT-  und das QUÄL-ICH haben scheinbar Nachwuchs bekommen (natürlich auch wieder ungefragt). Das NEU-ICH.

Das ist also ein Produkt der beiden anderen ICH`s und muss sich erst neu formieren. Es muss sich neu finden, erfinden. Es ist nämlich ein Teil des Neuen. Es kann sich meistens auf das ALT-ICH verlassen, an es anknüpfen, auf ihm aufbauen und Zuversicht entwickeln. Aber das QUÄL-ICH ist auch stark und fordert seine Beachtung sehr stark ein. Negativ-Beachtung nennt man es. Aber scheinbar weiß es sich nicht anders zu helfen.

An manchen Tagen stimmt die Ausgewogenheit nicht und ich suche nach meinem alten ICH, ich sehne mich nach dem alten ICH. An guten Tagen weiß ich, dass das NEU-ICH ganz viele Stärken hat, neue Kraft aus dem ALT-ICH gewonnen hat und dass es nicht die einmalige Chance verpassen darf, ein starkes NEU-ICH-BIN-ICH zu werden!

Ich denke, wir DREI können glücklich miteinander werden! ©Heike Führ

 

ein besonderer Tipp für alle mit HERZ

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Es gibt Momente, in denen sogar die MS ganz klein wird: mein Mann hatte mit mehreren Musikern einen Auftritt zu Ehren des Vereins

www.krebskrankekinder-mainz.de

Es wurde vor einigen Jahren ein wundervolles Haus gebaut, in dem die Eltern und Geschwister der kranken Kinder betreut werden und untergebracht werden können, wenn sie in Mainz keine Übernachtungsmöglichkeit haben.
Des weiteren werden Therapeuten und Pädagogen beschäftigt, um allen Betroffenen helfen zu können.
Mich hat das sehr berührt, die Idee, das Engagement … und unser OB Ebling hat für diesen Tag die Schirmherrschaft übernommen und eine sehr schöne rede gehalten.
Ein rundum gelungener Auftritt und emotionaler Tag, dessen Eindrücke ich noch verarbeiten muss.
Eines weiß ich ganz sicher: dieser verein und die Stiftung haben einen Platz in meinem (Mutter)-Herzen gefunden und ich werde Möglichkeiten suchen, sie zu unterstützen.
Wer also außerhalb der DMSG einmal eine sinnvolle Spende abgeben möchte, wäre hier der richtige Ort 🙂