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*Abschied vom Berufsleben und ein Fest

 

Abschied – erst einmal ein Wort, dann ein Begriff und dann folgt spätestens die Emotion dazu. Abschied, verabschieden hat auch immer etwas mit verlassen zu tun. Weg gehen. Nicht hinzukommen.

Abschied vom Berufsleben, die normale Verrentung im Alter, habe ich mir früher einmal schön vorgestellt: ein erfülltes Arbeitsleben und irgendwann geht man in die verdiente Pause. Ich hatte mir auch nie Sorgen gemacht, das „etwas fehlen“ könnte, denn dafür ist mein Privatleben ausgefüllt genug.

Aber ein erzwungener Abschied auf Grund einer Erkrankung, in meinem Falle MS, ist anders. Er passierte allerdings schleichend, da ich gezwungener Maßen schon mit Mitte 40 die Teilverrentung beantragen musste. Ich konnte mich sozusagen drauf einstellen und mein Berufsleben langsam ausklingen lassen. Aber wenn es dann soweit ist und der Tag X kommt, mit der bis dahin lang ersehnten, da dringend notwendigen, vollen Erwerbsminderungsrente, dann ist alles doch noch einmal anders.
Ich erinnere mich an meinen offiziellen Gang in die Kindertagesstätte, um meiner Chefin und meinen Kollegen mitzuteilen, dass ich nun gar nicht mehr kommen KANN.

KANN. Nicht will, sondern ich kann es nicht mehr. Meine MS lässt das nicht mehr zu.

Die Kindergartenkinder kommen zu mir gerannt (viele kennen mich noch, neue, andere kenne ich schon nicht mehr) und fragen mich, wo ich so lange war und ob ich nun wieder komme. Sie umarmen mich, zeigen mir ihr neuesten Kunstwerke, eine neue Hose oder eine neue Kindergartentasche. Mitten drin bin ich. Mitten in meinem Berufsalltag und doch bin ich an diesem Tag nur dort, um tschüss zu sagen. Ein Willkommen der Kinder und meiner Kollegen und ein „Auf Wiedersehen“ von mir.

Nein, nicht von MIR, sondern von meiner MS!

Es wird ein sehr emotionales „offizielles“ Verabschieden. Ich bin gern gesehener Gast und kann sie jederzeit besuchen. Aber, und das war sich sehr wichtig für mich: ich spüre schon nach wenigen Minuten dort, wie der Lärmpegel mir zusetzt, wie die begeisterten Kinder, die aus allen Richtungen angelaufen kommen, meine Sinne überfordern, oder auch meine Kollegen, die natürlich gerne einzeln jeder etwas sagen möchten. Völlig erschöpft gehe ich nach recht kurzer Zeit nach Hause.

Dort angekommen zittere ich, meine Gefühle kommen hoch: Wut und Verzweiflung über die MS, Trauer um den ungewollten Abschied, aber auch ERLEICHTERUNG und Dankbarkeit, dass ich die Möglichkeit habe, mich zurück ziehen zu können, zu dürfen.

Hallo MS ruft es in mir und die typische Reaktion, deren Ablauf mir auch mittlerweile so vertraut ist: Hallo MS und doch auch „Hallo Leben“, denn es endet eine bestimmte Phase meines Lebens, aber es beginnt eine neue Phase und dieser Phase möchte ich mit MUT und Zutrauen entgegenblicken, mich überraschen lassen und zu neuen Ufern aufbrechen.

Abschied heißt nicht nur weggehen und verlassen, sondern bedeutet auch, dass sich neue Wege und Türen öffnen.
Das Leben ist ein Abenteuer! Und MIT MS ein sicherlich noch größeres. Also stürze ich mich mal hinein ins Abenteuer.

PS: Heute hatte ich besagten offiziellen Verabschiedungs-Termin im Rahmen eines Jubiläums der Kita und wurde mit vielen lieben Worten meiner Chefin überhäuft, habe einen Blumenstrauß geschenkt bekommen und durfte noch einmal die Nähe spüren, die ich dort immer so geliebt habe. Ich habe mit Tränen in den Augen die Darbietungen der Kinder begleitet und habe mal wieder die MS verflucht, weil sie mir so viel raubt. Ich habe Kinder umarmt, ich habe neue Trikots gezeigt bekommen, mir wurde Kuchen gebracht und viele Kindergarteneltern haben mich liebevoll empfangen und das Gespräch mit mir gesucht. Gleich zu Beginn der Veranstaltung hat mir eine ganz besonders aufmerksame Mutter, die über meine MS Bescheid weiß, einen ganz bequemen Stuhl in den SCHATTEN gestellt und mich versorgt. Wundervoll solche Menschen und für mich ca. 3 Stunden, die ich wohl niemals vergessen werde, weil sie voller Emotionen waren. Und ich war mitten im prallen Leben – Kinder sind Zukunft und so saß ich da, mittendrin, liebevolle Blickkontakte, wackelige Beine, Herrn Uthoff durch die Hitze im Gepäck und zitternd und alle Gliedmaßen taub und doch kribbelnd. ABER ich war dabei. Hallo LEBEN!©2014 Heike Führ/multiple-arts.com