2012
Ich bin der festen Überzeugung, dass zu wenig und zu selten an die direkten Angehörigen, Freunde und Verwandten der Betroffenen gedacht wird.
Im dem Sinne, dass man sie mal fragt, wie es ihnen geht: im Allgemeinen und in Bezug auf die Krankheit ihres Angehörigen.
Nehmen wir den Partner in einer Erwachsenenbeziehung: wenn er sich dafür entscheidet, bei dem Kranken, Behinderten mit all seinen Beeinträchtigungen zu bleiben, dann ist auch sein Leben maßgeblich von den Umständen der Behinderung seiner PartnerIn betroffen. Nicht nur ein bisschen: nein, fast völlig!
Er hat seinen eigenen Beruf, das ist das „fast“, denn selbst während der Ausübung seiner Tätigkeit wird er sich Gedanken um dem Partner machen. Vielleicht kann er auch nicht selbstverständlich morgens aufstehen, da er dem Partner behilflich sein muss. Vielleicht hat er, bis er zu seiner Arbeit erscheint, schon seinen persönlichen Hilfs-Marathon laufen müssen und ist selbst schon erschöpft.
Und dann: nach Hause kommen: einkaufen? Praktische Hilfe? Haushalt? Kinder?
Definitiv anders als bei gesunden Partnern!
Wie schafft er die Doppel – und Dreifachbelastung? Körperlich, seelisch???
Wer hilft ihm?
Wer sieht es überhaupt und nimmt es wahr???
Oder die Mutter eines Betroffenen: meine Mutter fragte sich bei meiner Diagnosestellung: „warum meine Tochter?“ Und: „ich habe sie doch ein Jahr lang gestillt, hat das nicht geholfen?!“ (als Allheilmittel!)
Meine Mama ist heute 73 Jahre alt und sie kümmert sich mehr um mich, als umgekehrt. Bei uns hat bis jetzt der normale Rhythmus des „Kinder helfen den Eltern“, noch nie statt gefunden. Und wird er jemals stattfinden können? Das ist auch ein Aspekt: was passiert, wenn meine Mutter Hilfe braucht und ich sie ihr nicht in dem Ausmaß geben kann, wie sie sie bräuchte?
Und: wie fühlt eine Mutter, wenn ihr Kind unheilbar krank ist?
Ich bin selbst Mutter: ich würde meinen Kindern lieber solch eine Krankheit abnehmen, als sie ihnen zu „lassen“. Wenn ich könnte …
Ich würde mitleiden, ich würde trauern und unglaubliche Angst um sie haben.
Es tut mir so leid für meine Mutti: keiner kann etwas für diese Krankheit; sie ist einfach da! Aber ich bin als Tochter dankbar, dass sie mir die „Werkzeuge“ mit auf den Weg gab, die mir nun bei der Krankheitsbewältigung helfen. Das ist doch schon „die halbe Miete“!
Danke Mutti 🙂
Meine Kinder: ich bin selbst „Kind“ und weiß, wie man mit der Mutter mitleidet und Angst um sie hat, wenn sie einmal krank ist. Nur, ich bin nicht „mal“ krank: ich bin unheilbar krank mit ungewissem Ausgang. Das muss für meine Kinder schlimm sein. Ich hoffe nur, dass ich ihnen auch „Werkzeuge“ mitgegeben habe, um mit diesem Schicksal zurecht zu kommen und bin so dankbar, dass ich 2 gesunde tolle Kinder vor der Diagnosestellung zur Welt gebracht habe.
Mein Bruder mit Familie, meine echten Freunde: auf sie trifft das alles auch irgendwie zu. All Diejenigen, die mit mir in enger Verbindung stehen, leben auch ein Stück meine MS mit mir. Es ist ihr Schicksal, ebenso, wie meines.
Ich wünsche mir für alle meine Lieben, dass sie Jemanden ganz nah haben, der sie fragt: „Wie geht es Dir damit?“, der sie ernst nimmt in ihren Sorgen, der ihnen zuhört und keine „guten Ratschläge“ gibt; Jemanden, der einfach da ist!
Und vor allem sage ich hiermit DANKE an genau all diese Lieben: an meinen wundervollen Mann, meine Kinder, meine Mama, meinen Bruder und meine ebenfalls wundervollen guten Freunde, die mir alle auf ihre Weise zur Seite stehen 🙂 Ohne Euch würde mein Leben bedeutend anders und trauriger aussehen … IHR macht es lebenswert !!!
©Heike Führ/www.multiple-arts.com