Neulich sah ich eine Gruppe Schulkinder vor meinem Haus auf dem Fahrrad vorbeifahren – begleitet von einem Verkehrspolizisten und mich ergriff die Wehmut.
Wehmut auf Vieles: auf meine unbeschwerte Kindheit, auf die Kindheit meiner Kinder und damit auch auf eine gewisse Sorglosigkeit und Wehmut um das, was ich einmal konnte und was mir auf Grund der MS abhandengekommen ist.
Wehmut bezeichnet ein Gefühl zarter Traurigkeit, hervorgerufen durch Erinnerung an Vergangenes. Die Vergangenheit bleibt ein Quell bittersüßer Freude. Das ist die Theorie – die Praxis ist manchmal mehr als bittersüß. Sie schmerzt zeitweise. Mal mehr, mal weniger.
Fahrradfahren erlernte ich- wie auch das Skifahren – schon sehr früh, ich war aktive Leistungsschwimmerin, erklomm 4000er Berge mit Seilschaft und hing quer über wundervollen Gletschern. Zu ferner Zeit meint man. Aber nein – selbst als junge Erwachsene und Mutter meiner Kinder, sogar bis vor knapp 8 Jahren noch war Sport eines meiner Ventile. Bewegung, auspowern, meinen Körper spüren: ich war in der Balance und gerade Fahrradfahren war das geringste Problem.
2 Wörtchen änderten Vieles: MS!
All das eben Beschriebene schaffe ich nicht mehr. Definitiv nicht mehr. Ich habe an Lebensqualität so einiges eingebüßt und habe damit gerungen.
Mittlerweile genieße ich mein „Rentner-Dasein“, mein Schreiben und Bloggen und die daraus entstandenen Projekte. Ich kann Vieles im Liegen tun, was notwendig ist, weil mein Körper seine Pausen aufs Höchste einfordert. Ich habe gelernt, ein Energiemanagement zu betreiben und behaupte nun, nachdem ich auch ohne Basistherapie bin und es mir dadurch deutlich besser geht: ich liebe mein Leben. Ich liebe meine Arbeit, die mich fordert und fördert, die meine Synapsen verknüpft und mir damit hilft, mich geistig fit zu halten.
Ich liebe nicht, dass ich mich körperlich nicht mehr so betätigen kann, wie ich es möchte und doch liebe ich mein Leben. Ich habe mich arrangiert. Ich habe mich angepasst, ohne unterwürfig zu sein, denn ich fordere die MS noch oft genug heraus. Aber ich hänge nicht fest in der Vergangenheit – ich betrachte sie und oft auch mit Wehmut. Ich blicke auch nach vorne, auf das, was sich mir noch bieten kann, was noch kommen kann und was mich ausfüllt.
Ich werde der MS niemals dankbar sein, weil ich einfach nicht weiß, ob ich nicht auch ohne MS so weit gekommen wäre…. anders, aber auch erfüllend… Das weiß einfach niemand.
Aber ich nehme die MS an –mit all ihren Tücken und Facetten, mit ihren Fratzen und ungebetenen Gästen wie Fatigue und Uthoff. Manchmal verzweifle ich auch und bin sehr traurig – aber das gehört zum Leben.
Licht und Schatten, Wolken und Sonne.
Wehmut darf sein, Traurigkeit darf sein – aber es darf mir nicht den Blick auf die Zukunft und die schönen Dinge in meinem Leben verbauen. Ich muss wieder aufstehen und merke, dass ich es schon ganz automatisch tue. Hallo Tanz durchs Leben; Hallo MS und Hallo Zukunft! Ich komme! ©2016 Heike Führ/multiple-arts.com