Ich will endlich mal „normal“ leben!
Au weia, wird sich mancher denken – das ist ja eine heftige Aussage!
Ja – ist es. Vor allem in Anbetracht dessen, dass es mir mit meiner Form der MS immer noch „den Umständen entsprechend“ recht gut geht. Vor allem in Anbetracht dessen, dass es schwerstbehinderte Menschen gibt, die von einem Leben, wie ich es führe, nur träumen können!
Das macht mir wirklich zu denken und wirft die Frage auf, ob ich ungerecht bin!
Wäre ich immer unzufrieden, wäre es sicher anmaßend und ungerecht.
Aber: ich bin durchaus mit meinem Leben sehr zufrieden, ich liebe es und ich liebe es zu leben! 🙂
Ein Widerspruch?
Nein: Denn es gibt Tage, an denen ich (wie immer verglichen mit gleichaltrigen Gesunden) einfach nur den Wunsch habe, nur für eine einzige Stunde mal zu leben, wie der Gesunde:
Die Hitze zwar beschwerlich zu empfingen, aber auszuhalten – zu schwitzen und trotzdem voll leistungsfähig zu sein, zumindest so, dass sie nicht meinen Tagesablauf, meine Pläne über den Haufen wirft.
Oder nicht schon den Wetterbericht Tage voraus zu beobachten, aus ANGST (begründeter Angst) vor der Hitze, sondern mich über das Hochsommerwetter freuen zu können, ins Freibad oder an den See fahren zu können und zu toben und zu planschen… oder zu was ich eben LUST habe.
Dann nämlich spüre ich: verdammt, ich will einfach mal normal leben. Wie jeder andere auch.
Oder wenn die Fatigue mit ihrer Kraftlosigkeit mich an so Vielem hindert: am Arbeitengehen, am Feiern, an Städtereisen und manchen Urlauben – an Vielem, was mir einst Spaß und Freude gemacht hat.
Treffen mit Freunden – ich will endlich mal normal einen Termin in Vorfreude ausmachen können – ohne diese Sorge, ob es zu heiß ist, ob meine Beine mitspielen, ob meine Fatigue mir einen Streich spielt und gar Herr Uhthoff vorbei kommt. DANN will ich einfach normal leben.
Und doch ist eine große Dankbarkeit da, DASS ich so Vieles noch kann – nicht bettlägerisch bin oder schwerstbehindert – dann werde ich demütig und von tiefen Gefühlen ergriffen.
Und doch habe ich das Recht meinen momentanen Status Quo (der sich bei MS ja quasi ständig neu berechnet) mal zu benörgeln, mal zu jammern und klar auszusprechen, was mich manchmal plagt: DASS ich so Vieles nicht mehr kann und dadurch meine Lebensqualität auf vielen Ebenen leidet. Dieses Recht habe ich und nehme ich mir! Danach stehe ich wieder auf, richte das Krönchen und freue mich über all das, was ich noch kann, über meine Stärken und Fähigkeiten und „renne“ hinaus ins Leben. ©2017 Heike Führ/multiple-arts.com